Rückblick auf eine etwas andere Konzertreise

An einem Montagabend im September letzten Jahres kehrte Stille im Proberaum der Batzenberger Winzerkapelle e.V. in Pfaffenweiler ein. Alle schauten etwas skeptisch zu Dirigent Nicholas Reed und zur Vorsitzenden Karin Horst, die gerade verkündet haben, dass das Orchester im April 2023 zu einem internationalen Musikwettbewerb in Riva del Garda antreten wird. Erste Zweifel kommen hoch und die Frage „Schaffen wir das? Und sind wir gut genug?“. Doch Herausforderungen soll man sich bekanntlich ja stellen und deshalb begann eine harte, aber doch sehr gute Vorbereitungsphase. Nach vielen intensiven Proben, einem Probewochenende im Dekan-Strohmeyer-Haus im Münstertal und vielen Registerproben mit sehr guten Dozierenden, traten wir unser Jahreskonzert zwei Wochen vor dem Wettbewerb an. Bei diesem konnten wir zum ersten Mal die beiden Stücke des Wettbewerbs vor Publikum zum Besten geben.

Parallel zur Probephase hatten unsere 1. Vorsitzende Karin Horst, sowie weitere Vorstandschaftsmitglieder alle Hände voll mit der Organisation der Reise rund um dem Wettbewerb zu tun. Neben dem Kontakt zu einem Reisebüro in Italien musste der Bus und alles Weitere organisiert werden, was von allen Beteiligten mit viel Zeit und Hingabe gemacht wurde.

Zwei Wochen nach unserem Konzert. Pfaffenweiler, Freitag, der 31.03.2023 um 14 Uhr. Ein Bus mit 50 Musiker:innen und weiteren Fans macht sich auf den Weg nach Riva del Garda. Die Batzenberger Winzerkapelle e.V. Pfaffenweiler hatte sich seit September auf die Teilnahme am internationalen Musikwettbewerb Flicorno d‘Oro vorbereitet.

Doch so ganz will sich die Vorfreude noch nicht einstellen, denn einer der wichtigsten Teilnehmer des Orchesters fehlt. Dirigent Nicholas Reed hatte sich kurz vor der Abfahrt krankgemeldet. Große Fragezeichen in den Augen der Musiker:innen und auch die Frage „Können wir überhaupt antreten?“.

Aber nach kurzer Zeit wurde eine gute Lösung gefunden. Zwar war Vizedirigent Alexander Horst mit an Board, doch dieser wurde als Trompetenspieler benötigt und konnte nicht dirigieren. Aber ebenfalls mit an Board war Christoph Breithack. Seine Frau unterstützte die Kapelle auf der Oboe und er selbst wollte am Schlagzeug mitspielen. Dass er selbst das Orchester dann durch den Wettbewerb dirigieren sollte, damit hatte auch er nicht gerechnet. Aber er erklärte sich bereit diese Aufgabe zu übernehmen und so konnte das Orchester etwas beruhigter Richtung Wettbewerb blicken.

Gegen Mitternacht kam der Bus dann endlich in Riva del Garda an. Nach einer gemütlichen und geselligen Busfahrt begaben sich die Musiker:innen in ihre Hotels, denn am nächsten Morgen sollte die letzte Probe vor dem Wettbewerb, aber auch die erste Probe mit dem neuen Dirigenten, stattfinden.

Nicholas Reed konnte auch Samstag leider keine Entwarnung geben und meldet sich mit großem Bedauern aus dem Krankenbett mit motivierenden Worten bei den Musikern. Und so saßen die Musiker nun vor einem neuen Dirigenten und starteten ihre letzte Probe. Doch danach waren auch die letzten Zweifel ausgeräumt und es war klar, wir treten an. Denn Christoph Breithack hatte allen ein sehr positives und zuversichtliches Gefühl vermittelt. ‚Wir schaffen das und werden Nick stolz machen‘ war das Ziel.

Den Nachmittag hatten alle zur freien Verfügung und viele nutzten diesen, um Riva zu erkunden oder sich beim bereits laufenden Wettbewerb die anderen Orchester anzuhören. Zum gemeinsamen Abendessen trafen sich dann wieder alle im Hotel und anschließend ging es in einen kurzen geselligen Abend über.

Am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen. Gegen 6 Uhr klingelten die ersten Wecker, da wir um 8 Uhr im Kongresszentrum sein mussten. Hier hatten wir eine Stunde Zeit, um letzte Stellen zu klären und uns richtig einzuspielen. Danach ging es in einen zweiten Raum, in dem wir uns einstimmten und letzte Intonationsfragen klärten. Um kurz vor halb 10 wurden wir in einen weiteren Warteraum gebracht. Hier gab es die letzten ermutigenden Worte von Christoph Breithack an das Orchester. Doch statt wie geplant pünktlich um 09:30 Uhr auf die Bühne zu laufen, hieß es weiter zu warten. Denn Juryvorsitzender Franco Cesarini hatte verschlafen. Damit stieg die Nervosität der Musiker wieder deutlich. Denn wir hatten uns bereits in der Einmarschreihenfolge, welche zugegeben kurzzeitig für mehr Nervosität gesorgt hatte als das Auftreten an sich, im Flur aufgestellt und mussten nun dort warten und hoffen, dass Hr. Cesarini bald auflief. Zum Glück wurden wir 10 Minuten später erlöst und konnten in den Saal einmarschieren.

Dieses Gefühl, wenn alle nacheinander den Saal mit Instrument und Noten in der Hand betreten und die Menschen, die Zuhören aufstehen und klatschten, bis auch der Letzte auf der Bühne war, ist einfach unbeschreiblich und einmalig. Man konnte allen Musiker:innen ansehen, mit wieviel Freude sie gerade auf diese Bühne laufen.

Nachdem wir vorgestellt worden waren, durften wir mit unserem Einspielstück „Linden Lea“ starten. Direkt danach nochmal ein kurzer Stimmton und dann wurde es ernst. Das erste bewertete Stück war das Pflichtstück „The President“ von Benoit Chantry. Dieses Stück mussten alle antretenden Orchester der Kategorie 3 vortragen. Anschließend kam unser Wahlstück „An Irish Rhapsody“ von Clare Grundman. Und dann war auch schon alles vorbei. Innerhalb von 30 Minuten waren wir auf die Bühne gelaufen, hatten gespielt und waren wieder runtermarschiert. Glücklich und erleichtert sammelten wir uns danach zum gemeinsamen Gruppenfoto und waren alle sehr stolz auf unsere sehr gute Leistung. Denn die Stimmung bei den Musikern war „So gut waren wir noch nie bei diesen Stücken“. Und das, obwohl wir noch nicht einmal wussten, welche Punkte und welchen Platz wir erreichen würden. Für uns war klar, wir können sehr stolz auf uns sein, egal welche Platzierung wir erreichen.

Den Nachmittag verbrachten wir in einer Hosteria mit einer Weinprobe und leckerem Essen. Anschließen fuhren wir zu einem See und schauten uns ein historisches, mittelalterliches Dorf an. Wir genossen diesen Ausflug in die Berge rund um Riva sehr und hatten viel Spaß zusammen.

Am Abend ging es zurück ins Hotel, wo wir gemeinsam zu Abend aßen und anschließend wieder ins Kongresszentrum zur Preisverleihung aufbrachen. Der Saal war voll mit allen teilnehmenden Orchestern und die Stimmung sehr ausgelassen. Dann wurden die Gewinner vorgelesen.  „Unser Ziel ist die Top 10“ war die Aussage vieler Musiker:innen. Was alle als möglich sahen, denn Letzter wollten wir auf keinen Fall werden. Und dann brach plötzlich großer Jubel aus, als verkündet wurde „Platz 6 mit 78,83 Punkten – Batzenberger Winzerkapelle e.V. Pfaffenweiler aus Deutschland“.

Wir konnten es kaum fassen und auch Vorsitzende Karin Horst, die zusammen mit Christoph Breithack die Urkunde entgegennahm, strahlte über das ganze Gesicht. Auch Nicholas Reed, der die Nachricht natürlich sofort bekommen hatte, gratulierte allen Musiker:innen: „Super Ergebnis. Ich bin sehr stolz!! 6/11 ist ganz großes Kino!!“.

Nach der Preisverleihung gab es nur noch Grund zu feiern und so begaben sich die Musiker:innengemeinsam an die Seepromenade, um den Abschluss dieses großartigen Wettbewerbs gebührend zu feiern. Denn keiner von uns hatte mit so einer guten Platzierung gerechnet.

Am nächsten Tag ging es dann auch schon wieder zurück in die Heimat. Nach einem kurzen Aufenthalt in Mailand, bei dem wir eine Stadtführung bekamen und noch eine leckere Pizza essen gingen, kamen wir erledigt aber total glücklich gegen 22 Uhr wieder in Pfaffenweiler an.

Zum Schluss darf ich unseren Dirigenten zitieren, der die Frage „Welche Ziele habt ihr mit der Teilnahme verfolgt?“, wie folgt beantwortet:

„Die Ziele einer solchen musikalischen Herausforderungen können (und sollten) vielfältig sein. Sie lassen sich in verschiedenen, für viele Spalten der Breitenkultur wesentlichen Bereiche unterteilen. Zunächst sind die sozialen Ziele einer Auslandsreise klar: Die zwischenmenschliche Ebene, die beim Ensemblemusizieren unerlässlich ist (Musizieren als Modell für eine gut funktionierende Gesellschaft, Musik als Kommunikationsform, Musik als direkter Ausdruck eines sozialen „Miteinanders“) soll verstärkt werden. Das ist für die Breitenkultur sowieso von zentraler Wichtigkeit.

Die musikalischen Ziele haben wenig mit „Ergebnis“ oder „Erfolg“ im traditionellsten Sinne eines Wettbewerbs zu tun. Auch sehr wenig mit Punktzahlen oder Platzierungen. Wenn man zu einem solchen Wettbewerb fährt, bereitet sich man doch anders als auf ein Konzert vor. Das ist eine Tatsache. Diese etwas „andere“ Art der Vorbereitung führt dahin, dass das Orchester im Rahmen dessen eine enorme Entwicklung machen kann. Die Intensität der Arbeit an den grundlegenden Bausteinen eines exzellenten Blasorchesterspiels bringt ein Orchester schlagartig nach vorne. Man merkt diesen Fortschritt, wie bei dem Wachstum eines eigenen Kindes, vielleicht erst einige Monate später und ist danach dafür sehr dankbar. Der Weg der Entwicklung ist das wirkliche Ziel und nicht unbedingt der 15-minütige Augenblick auf der Bühne. Dennoch ist es für alle Musiker:innen wichtig, sich in diesem Augenblick gut zu präsentieren. Das ist aber eine natürliche Folge der intensiven Vorbereitung (davon ausgegangen, die leitende Person weiß, was sie tut). Es kann also nicht „schiefgehen“, solange diese Botschaft pädagogisch sinnvoll an das Orchester mitgeteilt wurde: Der Weg der Entwicklung ist das Ziel.“

Ich glaube dieses Ziel haben wir erreicht und wir können alle sehr stolz sein.

An dieser Stelle können wir nur nochmal von ganzen Herzen Danke sagen. An Nicholas Reed für diese großartige Vorbereitung und die Idee an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Ein großes Dankeschön geht auch an unsere musikalischen Unterstützer der Stadtkapelle Lahr und des MV Feldberg. Es hat uns sehr viel Spaß gemacht, euch dabei zu haben und wir hoffen auf baldiges Wiedersehen. Ebenfalls geht ein Dankeschön, an unsere 1. Vorsitzende und die Vorstandschaft, die die ganze Organisation übernommen haben und uns diese großartige Erfahrung überhaupt möglich gemacht haben. Und zum Schluss möchten wir uns bei Christoph Breithack für seinen spontanen Einsatz bedanken. Ohne ihn hätten wir diesen Wettbewerb nicht antreten können und wir sind sehr dankbar, dass er sich dieser Herausforderung gemeinsam mit uns gestellt hat und wir dieses großartige Ergebnis erzielen konnten.